Editorial zum Online-Neuerscheinungsdienst "ÜBERDENTAELLERRAND" (NED) April 2015.
Für den Monat April brachte unsere an die Datenbank der Deutschen Bibliothek gerichtete Abfrage TA-relevanter Neuerscheinungen 204 Treffer, von denen nach einem redaktionellen Blick auf ihre tatsächliche TA-Relevanz noch 40 Titel übrigblieben, die dann kategorisiert und in den NED übernommen wurden.
Wenn ich im Folgenden einige Titel der aktuellen Ausgabe des NED in diesem openTA-Blogbeitrag besonders herausstelle, so greife ich damit eine Anregung von Michael Nentwich auf (vgl. https://www.openta.net/home/-/asset_publisher/aYj4h5DzKAuA/blog/eine-schone-bescherung-der-neue-openta-publikationsdienst/63848).
Vorweg sei deutlich ausgesprochen, dass ich diese Bücher nicht (noch nicht?) gelesen habe, sondern nach ihrem Inhaltsverzeichnis beurteile. Inhaltsverzeichnisse, diese Erfahrung mache ich, seitdem ich Literatur auswerte, sind meistens recht aussagekräftige Paratexte, mit denen Autoren und Herausgeber potenzielle Leser für den noch ungelesenen Text einnehmen und zum Haupttext hinführen möchten. Inhaltsverzeichnisse sind deshalb als erster Indikator für Art und Qualität einer Publikation geeignet.
Aus Zeit- und Platzgründen, möchte ich auf nur fünf Neuerscheinungen besonders hinweisen, wobei sich die Reihenfolge formal alphabetisch nach Autor bzw. Herausgeber ergibt. Das Interesse, das die weiteren 35 Neuerscheinungen verdienen, wird dadurch nicht geschmälert.
Zuerst komme ich auf das von zwei Trierer Soziologen, Martin Endreß und Andrea Maurer, herausgegebene Buch "Resilienz im Sozialen. Theoretische und empirische Analysen" (Wiesbaden: Springer VS 2015) zu sprechen. Im Klappentext ist von einem umfassenden Versuch die Rede, "die soziologische Resilienzforschung im deutschsprachigen Raum vorzustellen und zugleich auch eine erste Kartierung dieses Forschungsfeldes zu leisten". Die TA kennt das Konzept aus den Kontexten Klimawandel und Nachhaltigkeit bereits, es deutet sich aber an, dass dieses Konzept als Perspektive auf den sozialen Umgang mit Technikfolgen insgesamt weiter an Bedeutung gewinnen könnte. Schon die ersten drei Beiträge klingen einladend und anspruchsvoll:
- Wolfgang Bonß: Karriere und sozialwissenschaftliche Potenziale des Resilienzbegriffs
- Martin Endreß und Benjamin Rampp: Resilienz als Perspektive auf gesellschaftliche Prozesse.
- Michael Schmid: Disruptiver sozialer Wandel und das Problem der Resilienz
Zweitens möchte ich auf einen von Isabel Capeloa Gil (Professorin für Kulturtheorie an der Katholischen Universität Portugals, Lissabon) zusammen mit Christoph Wulf (Professor für Anthropologie und Erziehung an der FU Berlin) herausgegebenen Sammelband hinweisen: "Hazardous future: disaster, representation and the assessment of risk" (De Gruyter 2015). Nach einer Einleitung, die den Titel aufgreift, folgen 18 Beiträge in zwei Blöcken: "Disaster (and) Culture" und "A Casuistry of Disaster". Die Titel der 18 Beiträge sind originell und haben trotz des ernsten Themas Witz, wie jede/r mit einem Click sehen kann: http://d-nb.info/1056010495/04. Es sieht so aus, als habe die kulturwissenschaftliche Perspektive substantiell etwas zum Risk Assessment beizutragen.
Christoph Hubig, von dem man weiß, dass er weiß, was Technikfolgenabschätzung ist, hat eine umfängliche technikphilosphische Arbeit mit dem Titel "Die Kunst des Möglichen" (Bielefeld:Transcript 2015) vorgelegt, der man ansieht, wie nah sie an den Fragestellungen der STS-Forschung und der TA ist. Erörtert werden etwa, um einige Schlaglichter auf die Arbeit zu werfen Sachzwangdiskussion und Evolutionismus in der Technikphilosophie, Technikmacht ausgehend von Foucault, neue Formen der Hybridisierung und Herausforderungen der Technikethik einsetzend bei Hans Jonas. Die Arbeit schließt mit einem Abschnitt auf Latour anspielend: "Waren wir immer schon modern?"
Viertens verspricht das 746 Seiten starke Werk des Philosophen Sebastian Knell, der seit 2011 am Institut für Wissenschaft und Ethik der Universität Bonn tätig ist, unter dem Titel "Dieœ Eroberung der Zeit. Grundzüge einer Philosophie verlängerter Lebensspannen" (Berlin: Suhrkamp 2015) eine eingehende Auseinandersetzung mit den (moral-)philosophischen Fragen wissenschaftlich-technischer Fortschritte in der Biologie, die die Lebensspanne weiter verlängern könnten. TA, die sich mit Enhancement, Transhumanismus, der alternden Gesellschaft, Aging, Ageism sowie den Folgen der Medizintechnik oder Fragen inter- und intragenerationeller Gerechtigkeit befasst, stößt unweigerlich auch auf die Fragen, die in dem Buch erörtert werden (z.B., ob Anti-Aging-Forschung eine moralische Pflicht sein kann), und dürfte folglich von der sorgfältigen Abhandlung profitieren.
Last not least sei ein Handbuch nahegelegt. Das von Dieter Sturma und Bert Heinrichs bei Metzler herausgegebene "Handbuch Bioethik", das in seinen über 80 Einträgen nicht nur zentrale Begriffe wie Risiko, Technikfolgenabschätzung, Verantwortung enthält, sondern auch zahlreiche bioethische Themen abhandelt, mit denen sich die TA befasst ? von Biobanken über Biodiversität und Enhancement bis Gentherapie, Klimaschutz, Nanotechnologie, Neurotechnologie, Robotik, Synthetische Biologie etc. ?, dürfte als Nachschlagewerk und als Einstieg in das weit gefächerte Feld der Bioethik gute Dienste tun.
Übrigens hoffen Blogbeiträger häufig auf sich anschließende Kommentare oder Fortführungen des Angefangenen...
Benutzer | Beiträge | Datum |
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Ralf Schneider | 24 | Vor 3 Tage |
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openTA Gastbeitrag | 4 | Vor 1 Jahr |
Tanja Sinozic | 13 | Vor 2 Jahre |
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