Über Folgen, Medientheorie und Medienentwicklung, den Una-Bomber, Klaus Töpfer und die Innovationsforschung

Publikationsdatum: 19.06.15 11:50    Letzte Aktualisierung: 12.07.18 16:19

Editorial zum Online-Neuerscheinungsdienst "ÜBERDENTAELLERRAND" (NED) Mai 2015.

Für den Monat Mai erbrachte unsere an die Datenbank der Deutschen Bibliothek gerichtete Abfrage TA-relevanter Neuerscheinungen 211 Treffer, von denen nach einem redaktionellen Blick auf ihre tatsächliche TA-Relevanz noch 42 Titel übrigblieben. Es folgen kurze Bemerkungen zu sechs dieser Bücher.

Manche werden sich erinnern: 1990 hatte Carl Böhret die erste Monografie zum Thema "Folgen" verbunden mit einem "Entwurf für eine aktive Politik gegen schleichende Katastrophen", so der Untertitel, vorgelegt. 25 Jahre später, veröffentlicht nun Mario Kaiser seine der Universität Basel vorgelegte Dissertation unter dem Titel "Über Folgen ? Technische Zukunft und politische Gegenwart". Bei Kaiser lautet die zentrale, zunächst am Beispiel Nanotechnologie entwickelte These, dass in der Politik von Prävention auf Präemption umgestellt wurde: "Während bisherige Anstrengungen, die Zukunft hinsichtlich unerwünschter Nebenfolgen zu erforschen, noch der Idee verpflichtet waren, die Zukunft aus der Gegenwart heraus zu kontrollieren und zu steuern, hat sich in den letzten Jahren zunehmend ein Regierungsmodus etabliert, der die umgekehrte Richtung einschlägt. Die Gegenwart wird zunehmend aus der Zukunft heraus korrigiert, reformiert oder gar revolutioniert" (Klappentext). Reflexion über Folgen gehört zum Kerngeschäft der Technikfolgenabschätzung, und somit liegt es nah, diese Neuerscheinung besonders herauszustellen. Bei den drei folgenden Publikationen zu Medientheorie, Medienentwicklung und einer besonders folgenreichen Medienrezeption, ist der Bezug zur TA nicht so unmittelbar gegeben.

Hartmut Winkler, seit 1999 Professor für Medienwissenschaft an der Universität Paderborn, hat sein jüngstes Werk "Prozessieren: Die dritte, vernachlässigte Medienfunktion" genannt. Das Buch untersucht, was Prozessieren auf dem Terrain der Medien bedeutet. Anders gefragt: Was trägt die Logik des Computers zur Bestimmung anderer Medien bei? In der Konsequenz zeichnete sich die Möglichkeit einer einheitlichen Medientheorie für digitale und analoge Medien ab. Eine solche Theorie könnte einen Beitrag zu einem besseren Verständnis der Transformationen und Umformungen von vorfindlichen Realitäten/Inhalten (z.B. auch Technikzukünften) durch Medien leisten.

In der Dissertation Peter Gentzels wird die "Kulturgeschichte der Mobilkommunikation" mit dem theoretischen Werkzeug der Praxistheorien und dem Konzept der Mediatisierung angegangen. Empirisch wird der mediale, soziale und kulturelle Wandel mobiler Kommunikationspraktiken anhand ihrer visuellen Inszenierung in den Werbeanzeigen der größten deutschen Publikumszeitschriften untersucht.

Ein weiteres Medienthema wird in der Masterarbeit von Stefan Preis behandelt, der den Fall Kaczynski als Bibliotheksphänomen betrachtet. Entstanden ist die Arbeit im Studiengang "Internationale Kriminologie" der Universität Hamburg. Theodore Kaczynski, bekannter als Una-Bomber und Exponent einer terroristischen Technik- und Zivilisationskritik, wird als "Leser" und "Autor" in den Blick genommen.

Themenwechsel: Klaus Töpfer, zurzeit unter anderem auch Exekutivdirektor des in Potsdam angesiedelten "Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS)" wird in dem Sammelband "Contributions towards a sustainable world in dialogue with Klaus Töpfer", der anlässlich seines 75. Geburtstags entstand, dadurch geehrt, dass sich namhafte Autoren mit seinen Ansichten und Arbeiten zur Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Darunter, um nur einige der bekannteren deutschsprachigen Autoren zu nennen, Hans Joachim Schellnhuber, Ernst Ulrich von Weizsäcker, Uwe Schneidewind, Volker Hauff, Ralf Fücks, Claus Leggewie oder Ulrich Beck.

Schließlich sei noch auf die Neuauflage des von Birgit Blättel-Mink nun mit Raphael Menez zusammen herausgegebene "Kompendium der Innovationsforschung" hingewiesen, das grundlegend überarbeitet und ergänzt wurde, und jetzt z.B. in dem Kapitel "Sozialwissenschaftliche Technikgenese- und Innovationsforschung" auch auf "soziale Innovationen" eingeht. Technikfolgenabschätzung, aber auch Foresight, sind anders als etwa Technikgenese, den Autoren keinen eigenen Abschnitt wert. Ungeachtet dessen dürfte die Neuauflage wie schon die Erstauflage von 2006 ihre Aufgabe als Einführung, Überblick und als Handreichung für die Lehre erfüllen.

 

geschrieben von Knud Böhle | 23640 Aufrufe, 0 Kommentare folgen innovationsforschung medienentwicklung medientheorie töpfer una-bomber zukunft
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